Arme Touristen!

Sie dürfen in ihrer Heimat keine Joints rauchen und die niederländische Regierung wollte ihnen den Eintritt in den Coffeeshops verwehren. Anfang November kündigte der Bürgermeister von Amsterdam jedoch an, dass der umstrittene Wietpas in der Hauptstadt nicht eingeführt wird : der Drogentourismus geht weiter.

Als Erstes bemerkt man den Geruch. Ein typischer und trotzdem unbeschreiblicher Geruch, einer dieser Gerüche, die man sofort erkennt, ein Geruch, der nirgendwo anders als in Amsterdam so prägend ist. Überall riecht es nach Marihuana. Man läuft aus dem Bahnhof geradeaus, Richtung Zentrum und nach nicht einmal 500 Metern sind sie schon da. Rechts, die kleinen Straßen mit dunklen Coffeeshops. Links, eine berühmte Touristenattraktion, der Grasshopper. Läuft man weiter, scheint es nie aufzuhören. Es mag ein Klischee sein: Im Zentrum der niederländischen Hauptstadt gibt es in fast jeder Straße eine oder mehrere dieser seltsamen Kneipen, wo man keinen Alkohol trinken darf, aber dafür Joints rauchen kann.

Die Coffeeshops sind einer der Gründe, warum Touristen nach Amsterdam kommen und doch wollte die niederländische Regierung sie nur noch für Einheimische zugänglich machen. Dem Drogentourismus musste ein Ende gesetzt werden: ein Anziehungspunkt wegen der Drogen zu werden, dass hatte die niederländische Regierung nie gewollt.

1976 wurde beschlossen eine sogenannte Toleranzpolitik für weiche Drogen einzuführen. Seit der Hippie-Bewegung der sechziger Jahre war Cannabis sehr beliebt und Forschungen zeigten, dass Haschisch und Marihuana für die Gesellschaft nicht problematischer waren als Alkohol. So wurden niedrige Produktion und Verkauf von weichen Drogen toleriert. Der Handel zieht seit Jahrzehnten Cannabisliebhaber oder Neugierige nach Holland. Von den geschätzten 7 Millionen Touristen, die jährlich Amsterdam besuchen, frequentieren 1,5 Millionen die ca. 220 Coffeeshops, die es in der Stadt gibt.

Das Problem der Grenzstädte

Doch Drogentourismus bringt nicht nur Geld, sondern auch eine Menge Beschwerlichkeiten. So beschloss die mehrheitlich rechte Regierung, die 2010 gewählt wurde ein neues System einzuführen. Coffeeshops musste es weiter geben, aber deren Zugang musste reguliert werden: Nur die auf einer Liste eingeschriebenen Stammgäste durften noch im Coffeeshop ihrer Wahl in ihrem Wohnort eintreten. Die Coffeeshopbesitzer beschwerten sich, die Konsumenten aus der ganzen Welt natürlich auch. Jedoch wollte die Regierung nicht aufgeben und der sogenannte Wietpas wurde in den Städten an der deutschen und belgischen Grenze eingeführt. April 2012, die plötzliche Wendung: Eine linke Koalition wird gewählt. Die jetzige Regierung gibt das Projekt nicht auf, aber lässt innerhalb der Gemeinden entscheiden, ob sie den Wietpas einführen wollen. Als erster reagiert Eberhard van der Laan, der Bürgermeister: Amsterdam wird keinen Wietpas einführen.

Wenn Tan die Geschichte der Coffeeshops erzählt, klingt alles ganz einfach. Es geht um „Faschisten“ (die Rechtsextremisten des PVV) und um die „Lethargie“ der Niederländer, die nicht genug gegen die Maßnahme demonstriert haben. Glücklicherweise hat sich aber gezeigt, dass Amsterdam keine Wahl hat: Die Stadt kann auf ihre Drogentouristen nicht verzichten.

Tan ist jung und freundlich. Er sitzt auf einem bequemen Sofa im Cannabis College, dem Informationszentrum für Touristen und redet viel. Das ist seine Arbeit. Er berät die Touristen, erzählt ihnen alles, was sie über Cannabis wissen wollen. Der Ort ist ein perfekter Ausgangspunkt für einen Tag in den Coffeeshops und Tan der richtige Ansprechpartner. Auf seinem Tisch liegt ein Stapel von Stadtplänen auf denen er die besten Coffeeshops der Stadt ankreuzt und die er dann den Touristen gibt.

„Drogentourismus ist das Problem der Grenzstädte. Hier ist es anders. Hier gibt es genug Coffeeshops, nicht nur ein oder zwei überfüllte Touristenläden. Hier gibt es keine langen Schlangen auf den Straßen, weil die Nachfrage zu groß ist. Das Problem ist eher, dass weiche Drogen in den anderen Ländern verboten sind. Deswegen kommen alle Touristen hier her.“ Die Zugänglichkeit für alle, in der ganzen Welt : Das wäre die Lösung.

Es sei schade, dass Amsterdam in der ganzen Welt als Sündenstadt stigmatisiert werde. In Las Vegas, Sao Paulo und Berlin gäbe es doch viel mehr Sex und Drogen. Übrigens rauchen die meisten Niederländer gar keine Joints. Und man müsse auch den vernünftigen Gebrauch von Drogen vom Missbrauch und Abhängigkeit klar trennen.

Es geht um Kaffee- und Diazepamabhängigkeit. Es geht auch um dem typischen Coffeeshopbesucher – männlich, zwischen 18 und 35, weiß – und um Tans Mitbewohner, der mit 58 Jahren immer noch Joints raucht. Es geht um die notwendige Einführung von Qualitätskontrollen in den Coffeeshops. Irgendwann schafft man es nicht mehr richtig, die wichtigen Informationen von der persönlichen pro-Marihuana Propaganda zu unterscheiden und hört nur noch mit halbem Ohr zu.

Bart Simpson mit einem Joint

Zwei Häuser weiter stehen vier Männer vor dem Hash Marihuana & Hemp Museum. Sie sind ungefähr 35 Jahre alt und machen Drogen-Witze auf Französisch. Typische Coffeeshop- Touristen. Sie treten ins Museum ein. Die Räume sind klein und voller Bilder und verschiedener Gegenstände, die Cannabis rühmen. Der Besuch ist schnell zu Ende, viel zu sehen gibt es nicht.

Die vier Franzosen stehen vor dem Museum und scheinen nicht zu wissen, wohin sie jetzt gehen wollen. Vielleicht suchen sie einen Coffeeshop. Sie lachen. „Da sind sie falsch. Wir sind Anti-Drogen Polizisten.“ Sie versuchen zu verstehen, was junge Leute in Amsterdam so attraktiv finden. Natürlich hat es nicht viel gebracht, sich in dem kleinen Museum eine Hanfpflanze und Bilder von Bart Simpson mit einem Joint anzuschauen.

Kiffen kann ich auch zu Hause

Es ist 15 Uhr. Die Coffeeshops füllen sich langsam mit Touristen. Die Berühmtesten sind schon gefüllt. Zwei Amsterdamer versuchen, sich ein Weg zwischen den Touristen zu bahnen. Es muss nervig sein, jeden Tag durch die vollen Straßen zu laufen. Es stört sie aber nicht. „Die armen [Touristen], die müssen hierher kommen, um kiffen zu können. Die können nicht anders, die haben keine Wahl !“

Endlich schafft man es in den sehr populären Coffeeshop Baba hereinzukommen. Der Raum ist kleiner als man erwarten würde, dunkel und verraucht. Gruppen von Touristen sitzen um winzige Tische.

B.J. kommt aus Paris. Über sich selbst will er nichts erzählen, denn jemand könnte irgendwann erfahren, dass er Joints raucht. Er sagt nur, dass er nicht nach Amsterdam gekommen ist, um in die Coffeeshops zu gehen. Er ist hier, weil er die Stadt liebt. „Kiffen kann ich auch zu Hause, in Paris gibt es genügend Straßendealer.“ Die Einführung des Wietpas wäre kein Drama für ihn gewesen, es tat ihn eher Leid für die Niederländer, die für ihren Konsum registriert gewesen wären. Für ihn hätte sich das Leben aber nicht geändert. Ein Besuch im Baba gehört jedoch zur Stadtbesichtigung.

Land der Freiheit

Die kleine alte Dame, die oben an der Treppe sitzt, passt nicht in den Bluebird Coffeeshop. Sie ist eher elegant und ihre lange Haare sind gut gekämmt. Um sie herum sitzen lachende und schreiende junge Männer. Touristen. Sie will, dass man sie Mevouw nennt – Frau auf Niederländisch. Sie kommt oft her, weil sie wegen ihrer Nachbarn zu Hause keine Joints rauchen darf. „Das ist schade, denn eigentlich müsste jeder frei sein, aber das ist so. Wenn es bei mir nicht geht, dann komme ich einfach her.“

Auch sie war gegen den Wietpas. Sie will Marihuana kaufen können, aber hätte sich nicht registrieren lassen wollen, um weiter rauchen zu können. Niemand braucht zu wissen, was sie macht. „Vor allem nicht die Regierung, die sowieso alles an die Krankenkasse weiterleiten würde. Ich will nicht, dass meine Krankenkasse weiß, ob ich Joints rauche oder nicht. Wenn sie das wissen, dann werden sie die Preise erhöhen.“ Auch sie als Niederländerin wäre Verlierer gewesen im Falle einer Einführung des Wietpas.

Sie bläst langsam Rauch aus. Die schreiende Touristen stören sie nicht. Letztendlich hat jeder seine eigene Gründe, um zu rauchen. Wer Joints rauchen will, muss das können – wenn nicht in der Heimat, dann in den Niederlanden. Sie ist stolz in einem Land der Freiheit zu leben.

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